Presse Artikel

Ein Herz für Tiere mit Behinderung
Ein Bericht von Barbara Wenke  ..  DIE NORDDEUTSCHE  ..  vom 15.8.2019
Liebhaber behinderter Tiere haben in Berne einen Verein gegründet. Sie päppeln misshandelte Hunde und Katzen auf und sammeln Spenden für spezielle Rollstühle. Auch Promis unterstützen den Verein.
„Um die schönen, jungen Tiere kümmert sich jeder, um die behinderten keiner“, sagt Kornelia Ries. „Jeder möchte einen Welpen haben“, pflichtet Udo Rauch bei. Die beiden Hundebesitzer und Tierliebhaber haben einen anderen Weg eingeschlagen. Sie kümmern sich um behinderte und alte Hunde und Katzen, haben dafür eigens einen Verein gegründet. So können sie Spenden annehmen und Quittungen ausstellen.

„Meine Frau und ich sind schon jahrelang im Tierschutz aktiv. Dabei kümmern wir uns auch immer wieder um behinderte Tiere“, erzählt Udo Rauch, der im Berner Ortsteil Neuenhuntorf eine vom Veterinäramt anerkannte Pflegestelle führt. Er selbst besitzt mit der Havaneser-Hündin Gina einen Vierbeiner, dessen Vorderbeine zertrümmert sind und der deshalb auf einen Vorderradrolli angewiesen ist.

Um Gina und den anderen betroffenen Tieren besser helfen zu können, gründete Rauch im Januar den Verein. Zu den Gründungsmitgliedern gehört auch Marita Lange aus Oldenburg. „Ich habe vor einiger Zeit einen behinderten Hund aus China adoptiert und über den Mann, der seinen Frontrolli gebaut hat, den Kontakt zu Udo Rauch bekommen.“

Was dem kleinen „Qing“ im Fernen Osten angetan wurde, liest sich wie eine Horrorgeschichte. Als ein Amerikaner den Rüden im Oktober 2016 schwer verletzt auf einer Straße fand, fehlten ihm die unteren Knochen der Vorderbeine. „Seine Beine waren praktisch zur Hälfte ab“, berichtet Marita Lange. Was zuvor geschehen war, könne sie nur vermuten. Aber die Oldenburgerin glaubt, dass dem kleinen Hund die Füße bewusst abgeschnitten wurden, da Hundepfoten in China als Glücksbringer gelten.

Mittlerweile sei er ein fröhlicher und frecher Hund, der sich nicht das kleinste Bisschen behindert fühle. So tolle er gerne ausgelassen mit seinen Artgenossen herum. Und Marita Lange wird jedes Mal warm ums Herz, wenn sie ihren Qing beobachtet. „Einem Wesen zurück ins Leben zu helfen, macht selbst glücklich“, sagt die Hundebesitzerin.

Bei dem großen Leid, das einige Tiere erfahren haben, stelle sich manchem Beobachter die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, den Hund oder die Katze zu erlösen. „Wenn ein Tier so etwas, wie es Qing widerfahren ist, überlebt hat, dann will es leben“, ist Vereinsmitglied Kornelia Ries überzeugt. Wenn die Tiere anschließend ohne Schmerzmittel leben könnten und gut fräßen, sei das ein Zeichen, dass es ihnen nicht mehr schlecht gehe.

Prominente Unterstützer
Regelmäßig postet die 64-Jährige, die mit dem Einsatz für gehandicapte Tiere eine Aufgabe für die Zeit nach ihrem Berufsleben gefunden hat, Bilder auf Instagram. Diese gehen um die ganze Welt, denn die Mitglieder des Vereins „Ein Herz für Handicap Tiere“ wohnen nicht nur in Deutschland. „Unsere Mitglieder kommen aus Europa und sogar aus Indonesien und China“, berichtet der Vorsitzende Udo Rauch. 46 Mitglieder zählt der noch junge Tierschutzverein mittlerweile.

Selbst auf prominente Unterstützung könne der Verein mittlerweile zählen, freut sich Rauch, zum Beispiel vom Tierschützerteam „Harte Hunde“ des Fernsehsenders Vox sowie von Starfrisör Udo Waltz, der auch schon auf Plakaten einer Tierschutzorganisation Flagge gegen Tierversuche gezeigt hat. Während die Unterstützung der Promis ideeller Art ist, freuen sich Rauch und seine Weggefährten auch über ganz konkrete Hilfe. So hätten einige Supermärkte und Futtermittelhersteller Futterspenden zugesagt sowie Apotheken und Tierärzte Hilfe versprochen.

Nichtsdestotrotz benötige „Ein Herz für Handicap Tiere“ weitere Unterstützer. Die Behandlung und Betreuung behinderter Tiere sei teuer, sagt der Vereinsvorsitzende. „Ein Rolli kostet beispielsweise zwischen 600 und 700 Euro.“ Neben Geld- und Sachspenden braucht der Verein zudem weitere Pflegestellen. Derzeit stehen ihm die beiden bei den Rauchs in Neuenhuntorf zur Verfügung.

Eine Pflegestelle ist keine Dauerlösung. Wenn die Tiere aufgepäppelt sind, werden sie vermittelt. Mit den Hündinnen „Baby“ und „Dora“ kann „Ein Herz für Handicap Tiere“ erste Vermittlungserfolge vorweisen. Am Sonnabend wird zudem Kater „Samuel“ in ein neues Zuhause umziehen.

Umziehen wird auch „Mommy“ – und zwar von Schanghai nach Neuenhuntorf. Angelika und Udo Rauch nehmen die querschnittsgelähmte Hündin privat auf, denn noch fehlt „Ein Herz für Handicap Tiere“ die Genehmigung, Tiere aus dem Ausland zu vermitteln. Beratend zur Seite stehen die Mitglieder des Vereins Besitzern behinderter Tiere allerdings schon jetzt. „Wir haben für verschiedene Themen wie Orthopädietechnik, Physiotherapie, Sehbehinderung oder Inkontinenz unsere Experten“, sagt Monika Hartmann, die sich selbst bestens mit Hunden mit Epilepsie auskennt. Hartmann weist allerdings darauf hin, dass es sich stets um Tipps handele. „Wir können keine Diagnose stellen. Wir haben keine Tiermedizin studiert. Der Gang zum Tierarzt ist unerlässlich.“ Den meisten Anrufern sei das klar, sagt die Hildesheimerin. „Viele brauchen erst mal nur jemanden, der zuhört.“ Zuhören, beraten und vermitteln, das sind genau die Tätigkeiten, die „Ein Herz für Handicap Tiere“ zukünftig weiter machen wird.
Ein Rollstuhl aus Amerika
Ein Bericht von Barbara Wenke .. DIE NORDDEUTSCHE .. vom 14.8.2018
Die Tiere sind traumatisiert oder versehrt. Wie es dazu kam, ist nicht immer klar. Nur, dass geholfen werden muss, wissen Angelika und Udo Rauch. Deshalb pflegen sie behinderte Katzen und Hunde.
Udo Rauch legt Gina den Rollstuhl an. Mit der Maßanfertigung kann sich die Havaneserin wieder selbstständig bewegen. (Christian Kosak)
Kaum hat die Türklingel geläutet, sind Paula und Hedwig auf den Beinen. Die beiden Hundedamen begrüßen jeden Besucher stürmisch. Die kleine Havaneserin Gina würde es ihren beiden Artgenossinnen gerne gleichtun, doch sie muss bei Angelika Rauch auf dem Arm bleiben. Nicht, weil sie beißen würde. Gina ist aufgeschlossen und freundlich. Doch Gina kann nicht laufen. Nur robben. Und selbst das ist schon mehr als das, was Gina konnte, als sie zu Angelika und Udo Rauch kam.

Eine offiziell anerkannte Pflegestelle für behinderte Tiere sei ihr Haus nicht, räumt Udo Rauch ein. Aber sie hätten jahrelang mit dem Tierschutzverein Wesermarsch zusammengearbeitet, pflegten für den Verein insbesondere Katzen. Hatte sich der Gesundheitszustand der Tiere verbessert, vermittelten die Neuenhuntorfer die Vierbeiner in neue Familien. Bis zu ihrem Bruch mit dem Schutzverein wegen finanzieller Differenzen haben Angelika und Udo Rauch rund zehn Katzen gepflegt und vermittelt. Seit Oktober 2016 machen die beiden in Eigenregie weiter.

Zwei Schützlinge stammen noch aus der Zusammenarbeit mit dem Tierschutzverein, sagt Udo Rauch. Zum Beispiel Mariechen. Das schwarz-weiße Kätzchen steht unter dem Küchentisch und beobachtet den Besucher. Und zuckt. Die Katze zuckt unablässig. Mariechen leidet unter Ataxie, einer Koordinationsstörung der Muskeln.

"Die hat uns der Tierschutzverein gebracht. Mariechen sollte eingeschläfert werden", erinnert sich Angelika Rauch. Mit Milch und Wärmekissen haben ihr Mann und sie den kleinen Vierbeiner aufgepäppelt. Stehen und langsames Gehen geht bereits wieder. Doch leidet Mariechen immer noch unter epileptischen Anfällen.

Pocke ist ein weiterer Pflegefall, um den sich die Neuenhuntorfer kümmern. "Als sie uns zugelaufen ist, hatte sie eine eiternde Wunde mitten am Kopf", erinnert sich Angelika Rauch. Noch heute thront ein dickes Horn mitten auf der Stirn der schwarzen Katze.

Mit Elli und Tiger leben zwei weitere Katzen im Haushalt der Rauchs. Diese beiden bekommt allerdings kaum ein Besucher je zu Gesicht. "Elli ist traumatisiert", sagt Udo Rauch. Warum, das hat seine Frau in Erfahrung gebracht: "Die früheren Eigentümer haben Elli zur Jagdhundausbildung genommen. Die wurde mit einem Hund in einen Raum gesperrt und dann durfte der Hund üben."

Auch Tiger sei "total verängstigt" gewesen, als der Tierschutzverein Wesermarsch ihn zu Rauchs in Pflege gab. Über seine Vorgeschichte wissen die Tierfreunde allerdings nicht Bescheid.

Zurück zu Gina: Die kleine Havaneserin scheint sich auf Angelika Rauchs Arm wohlzufühlen. "Gina ist unser ewiges Baby", sagt die Hundetrainerin, während sie das Fellknäuel liebevoll streichelt. Die Gelenke in den Vorderbeinen der kleinen, vermutlich zwei Jahre alten Hündin sind zertrümmert, beschreibt Angelika Rauch Ginas Verletzung. "Sie kann nur robben und springen. Dadurch verschieben sich ihre Unterarme aber immer weiter in die Oberarme", berichtet Rauch. "Sie muss einen schweren Unfall gehabt haben."

Entdeckt haben die Tierliebhaber Gina im Tierheim in Oldenburg. "Als wir sie bekamen, mochte Gina noch nicht einmal auf dem Bauch liegen. Die lag immer auf der Seite und hat den Kopf gedreht, wenn sie etwas trinken oder fressen wollte", erinnert sich Udo Rauch. Selbst eine flache Untertasse sei damals fast ein unüberwindliches Hindernis für den kleinen Hund gewesen. Das Neuenhuntorfer Ehepaar hat Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg erstattet. Viel Hoffnung, dass der Verursacher von Ginas Leiden gefunden wird, hegen die Tierpfleger allerdings nicht.

Mittlerweile lebt Gina wieder auf. Über eine Spendenaktion haben Angelika und Udo Rauch Geld gesammelt und der kleinen Havaneserin in den USA für rund 700 Euro einen Spezialrollstuhl anfertigen lassen. "In Deutschland gibt es keine Vorderradrollis, die so klein sind", begründet Rauch.

Dem Hund scheint die Konstruktion zu gefallen. Willig lässt sich Gina von Angelika Rauch ein gestreiftes Babyhemdchen überstreifen. "Wenn sie nichts anhat, verfangen sich die Gurte in den Haaren", erzählt Rauch, während sie die letzte Schnalle befestigt. Die braunen Knopfaugen der kleinen Hündin unterhalb der rosafarbenen Haarspange leuchten erwartungsvoll.

Kaum ist der Rollstuhl fest und der Hund zu Boden gelassen, stürmt die Havaneserin los. Die kurzen Vorderbeine, die keinen Kontakt zum Boden haben, bewegen sich zum Takt der Hinterläufe. Damit die Hinterbeine nicht zu sehr unter der neuen Belastung leiden, erhält Gina regelmäßig Krankengymnastik. "Wir machen ständig Physiotherapie", berichtet Angelika Rauch.

Bei ihrem Ausflug ins Freie rennt Gina mit Hedwig um die Wette. Die zweite Havaneserin im Rauch'schen Haushalt wirkt unbehindert. Doch auch ihr gilt Angelika Rauchs spezielles Augenmerk. "Hedwig kann nicht riechen. Wenn wir ihr das Fressen nicht direkt vor die Nase stellen würden, würde sie es nicht finden", erzählt die Pflegerin. "Andererseits muss man aufpassen, dass sie nichts Falsches aufnimmt, weil sie nicht riechen kann."

Für viele aufgepäppelte Katzen haben die Neuenhuntorfer ein neues Zuhause gefunden. Die behinderten Tiere bleiben hingegen in dem Reetdachhaus mit kleinem Garten. Freuen würden sich Angelika und Udo Rauch über Tierliebhaber, die Futter- oder Tierarztpatenschaften für die behinderten Vierbeiner übernehmen möchten. Kontakt zu den Neuenhuntorfern gibt es über das Internet. Angelika und Udo Rauch haben unter der Adresse www.havaneser-und-andere-felle.de ein Forum eingerichtet.
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